Vom Wasser ins Wasser – die sanfte Geburt
Einst schrieb ich in einem Artikel über die Wassergeburt folgendes:
„Während in anderen naturverbundenen Kulturvölkern Wassergeburten schon Gang und Gebe sind, steht sie bei uns noch im Frühstadium. ……Mittlerweile scheinen sich aber, anhand von 19500 untersuchten Wassergeburten, die in sie gesetzten Hoffnungen zu erfüllen. In England besteht sogar schon die Verpflichtung in jedem Krankenhaus eine geburtsgerechte Wanne zu haben. Dies sollte uns Hebammen dazu anregen, den Frauen – sofern sie es möchten und die Voraussetzungen gegeben sind – diese Art der „sanften Geburt“ auch bei uns zu ermöglichen.“
Über 20 Jahre später brauchen wir uns über die Möglichkeiten keine Gedanken mehr zu machen. Der Wassergeburtsanteil ist hierzulande mit etwa 1,5 % – 4 % allerdings vergleichsweise sehr gering. Das liegt zum einen daran, dass bestimmte Voraussetzungen notwendig sind, um eine Wassergeburt durchzuführen. Vorerkrankungen der Mutter wie Diabetes, Bluthochdruck, Herzerkrankungen etc. oder Risikofaktoren beim Kind (Herzkind, Frühgeburten, Fehlbildungen, zu hohes Schätzgewicht beim Kind…) dürfen nicht vorhanden sein.
Der Kreislaufzustand der Mutter muss stabil sein und es müssen sowohl eine große Gebärbadewanne als auch ein Funk-CTG, sowie die personellen Ressourcen vorhanden sein.
Zum anderen muss der Wunsch einer Wassergeburt natürlich primär von der Frau kommen und auch für die Hebamme passen (medizinische Kriterien + Personalressourcen, Infrastruktur etc.).
Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist es eine wunderschöne Art, sein Baby auf die Welt zu bringen.
Wasser ermöglicht sanftes Ankommen in der Welt
Wasser ist der Ursprung allen (Menschen)-Lebens. Für ein Neugeborenes fühlt es sich auf diese Weise weniger plötzlich und schockierend an. Das Baby wird vom Wasser ins Wasser geboren. Dies führt in der Praxis dazu, dass Wassergeburtskinder so gut wie nie nach der Geburt schreien, sondern lediglich schauen. Sofort nach der Geburt schwimmen die Kinder vom Badewasser auf den Bauch der Mutter. Dieses „schwimmen lassen“ könnte man, sofern gewünscht, aufgrund des vorhandenen Tauchreflexes, auch etwas hinauszögern.
In der Regel befindet sich die Gebärende in der Wanne in halbsitzender Position, welche dieses sofortige Bonding ermöglicht. Das Neugeborene wird dann mit dünnen, warmfeuchten Tüchern bedeckt und Mutter und Kind zunächst in Ruhe gelassen. Nach ein paar Minuten beginnt man dann langsam, das Wasser abzulassen. Sobald der Wasserspiegel unter dem Kind ist, wird dieses mit warmen trockenen Tüchern vor Kälte geschützt.
Die Nachgeburtsperiode kann unterschiedlich gestaltet werden. Ich mache es in der Praxis immer so, dass ich das Wasser komplett auslasse, um kurz darauf die Nabelschnur vom Vater durchtrennen zu lassen, das Blut aus der NS abzunehmen und in der Wanne noch die Plazenta zu gewinnen.
Nach etwa 20 bis 30 Minuten bekommt der Vater das Baby auf den Arm und die Mutter hat noch die Möglichkeit in der Wanne kurz zu duschen. Anschließend findet dann der Umzug in ein Kreißzimmerbett statt, wo dann die Geburtswege auf Verletzungen begutachtet werden und sich die junge Mama mit Kind ausruhen kann.
„Die Wassergeburt zählt zu den sanftesten Gebärmethoden. Dammschnitte finden kaum statt ebenso wie das Mitdrücken am Bauch.“
Weniger Schmerzen und Geburtsverletzungen
Bereits Dr. A. Rockenschaub (Wiener Geburtshelfer) sagte einmal, dass die Wassergeburt eine der Damm schützendsten Geburtsmethoden sei, da das Anbringen von Dammschnitten und -griffen erfreulich erschwert würde.
Die Wassergeburt gilt also als eine der sanftesten Gebärmethoden. Zurecht?
Nun, ein entscheidender Faktor sind in diesem Zusammenhang tatsächlich die sehr reduzierten Interventionsmöglichkeiten. Das heißt konkret, dass man z. B. einen Dammschnitt im Wasser kaum durchführen kann. Auch das Mitdrücken am Bauch findet selten statt und Medikamente (wie etwa Wehen-Mittel) werden bei einer Wassergeburt nicht gegeben.
Das Medium Wasser bietet der Frau auch Schutz und nimmt beim „Wehenveratmen“ die Spitze des Schmerzes. Die Wehe klingt schneller ab, was gefühlt zu einer längeren Pause zwischen den Wehen führt. Je weiter die Geburt fortschreitet, je intensiver sich die Wehen gestalten, desto deutlicher ist der schmerzlindernde Effekt für die Frau spürbar. Nebenbei gestaltet sich auch die letzte Phase der Geburt, durch die erhöhte Elastizität und dadurch bessere Dehnung des Scheideneingangs, für die Frau angenehmer.
Auch die Dammschnitte und höhergradigen Damm- und Scheidenverletzungen sind bei Wassergeburten reduziert. Die anfänglich befürchteten höheren Infektionsraten oder verstärkten Blutungen nach Geburt bewahrheiteten sich keinesfalls.
Bereits im alten Ägypten durchgeführt
Im Kreißsaal entsteht der Wunsch nach einer Wassergeburt meist nach und nach. Viele Frauen wissen um die Methode an sich aus den Geburtsvorbereitungskursen. 80 % der Frauen nutzen ein warmes Bad zunächst als natürliches Schmerzmittel. Auch jene, die das zunächst nicht vorhatten, erleben dies als effektiven Schmerzlinderer.
Gelegentlich besteht dann der Wunsch, eventuell noch einmal die Badewanne zu nutzen, oder es ist eine zügig voranschreitende Geburt, wo sich die Frau bei der sogenannten Schiebephase noch in der Wanne befindet. Anschließend wird dann gemeinsam beschlossen, für die Geburt ebenfalls im Wasser zu bleiben.
So selten die Wassergeburt heutzutage auch durchgeführt wird – neu ist die Idee keinesfalls!
Bereits im alten Ägypten sollen bereits Wassergeburten durchgeführt worden sein. Die erste Europäische Wassergeburt wurde 1803 in Frankreich dokumentiert. In der jüngeren Vergangenheit gilt für Westeuropa Michel Odent als einer der Begründer von Geburten im Medium Wasser.
Sowohl Michel Odent als auch z. B. Igor Tscharkowskij, der ebenfalls in den 1960er Jahren Forschung zu diesem Thema betrieb, stellten fest, dass Wassergeburtskinder
eine bessere Ausbildung der Muskulatur und Motorik haben
schneller an Gewicht zulegen
früher laufen und sprechen lernen
erhöhte Immunität gegen Krankheiten im ersten Lebensjahr aufweisen und
überdurchschnittlich intelligent sein sollen.
„Manchen Frauen bietet es auch den idealen Schutzrahmen, um ihr Baby aus eigener Kraft zu gebären.“
Zahlreiche Vorteile für Mutter und Kind
Mittlerweile werden der Geburt im Wasser auch eine ganze Reihe von Vorteilen für Mutter und Kind zugeschrieben.
Vorteile für die Mutter sind etwa:
Weniger Schmerzmittelverbrauch
Bessere Gewebsdehnung
Weniger Schnitte (etwas mehr kleine Risse, die aber besser und schneller heilen)
Keine Krampfwehen oder Wehensturm; Wehen sind effektiver und kürzer
Kein Vena-Cava-Syndrom
Verkürzte Geburtsdauer
Selbstbestimmung der Mutter
Weniger Stress
Vorteile für das Kind:
Stressfreie Geburt – der Geburtsschock ist vermindert (vom Wasser ins Wasser)
Langsame Anpassung
Keine anfängliche Reizüberflutung
Weniger Druck auf den Kopf durch Beckenknochen und Dammgewebe in der Austreibungsphase
Keine Stauung der kindlichen Wirbelsäule
Wassergeburtskinder sind durch Abwesenheit von gewaltvollen Erfahrungen während des Geburtsprozesses (z. B. keine Vakuumanwendung, kein Kristellerhandgriff etc.) kommunikationsfreudiger, aufgeschlossener und bindungsfähiger.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Wassergeburt insgesamt eine sehr schöne, ruhige und vergleichsweise spannungsreduzierte Methode ist, sein Baby auf die Welt zu bekommen. Wasser hat auf jeden Fall bereits einen berechtigterweise festen Platz in einem Geburtsprozess. Manchen Frauen bietet es auch den idealen Schutzrahmen, um ihr Baby aus eigener Kraft zu gebären.
Allerdings muss auch beachtet werden, dass natürlich vor der Wassergeburt bereits eine „Auslese“ für geeigneten Kandidatinnen stattfindet. Das allein führt bereits dazu, dass die Wassergeburt als natürlich und interventionsarm gilt. Sozusagen …
„… Wassergeburt – back to the roots“
Hebamme Maria Guldner
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