Hier einige Kommentare aus einem Forum zum Thema Geburtsplan:
„Tatsächlich ist es rechtlich wohl auch relativ bindend. Also wenn du z. B. angegeben hast keinen Dammschnitt zu wollen, dann müssen sie plausibel erklären können, warum doch einer gemacht wurde.“
„Wichtig wäre, kein Dauer-CTG: Ist nur eine Momentaufnahme, du merkst am besten, wann die Presswehen einsetzen und schiebst nach Gefühl mit und nicht nachdem das Gerät es dir sagt. Während der Presswehen gibt es ein mobiles Gerät.“
„Freie Bewegung! Bloß nicht in Rückenlage.“
„Ruhe, kein hektisches hin und her Gerenne.“
„kein unnötiges Kontrollieren des MM.“
„Wenn das Baby dann da ist, genug Zeit zum Kuscheln und Auspulsieren der Nabelschnur! Ganz wichtig! Das Blut gehört ins Baby! Kein Rumgeziehe an der Nabelschnur damit die Plazenta schneller kommt – die kommt, man braucht nur Geduld“
Anhand dieser Aussagen bekommt man ein gutes Gefühl dafür, welche Dinge in Zusammenhang mit dem Thema Geburtsplan online diskutiert werden und auf welcher emotionalen Ebene dies stattfindet.
Geht man nun jedoch in der Geschichte ein ganzes Stück zurück, wird einem klar, dass die Geburt immer schon von den Frauen geplant wurde. In dieser Zeit waren es eher praktische Dinge, wie z. B. wann die Hebamme verständigt wird, wer wofür zuständig ist, wer kocht usw. Entstanden in den 80ern in den USA ist der Geburtsplan heutzutage eine Möglichkeit, als Betroffene seine Wünsche und Vorstellungen mitzuteilen und die eigene Geburt mitzugestalten.
Der aktuelle Trend der Geburtshilfe, so ist mein Eindruck im Laufe der letzten 25 Jahre, geht noch immer in die sehr medizinische Richtung. Wobei sich in Fachkreisen wieder mehr auf die Rückkehr zur Natur fokussiert wird. Dem gegenüber, stehen aber Forschung, Statistiken und nicht zuletzt die zunehmende Klagebereitschaft der Patient*innen.
Wo hört also Empfehlung, Leitung durch die Geburt und Verantwortung der Hebamme und der Ärzt*innen auf und wo fängt Eigenverantwortung, Mitsprache(recht) und Selbstbestimmung an?
Die Anthropologin, Robbie Davies-Floyd, beschreibt 2002 zwei Betreuungsmodelle:
- Das technokratische, medizinische Modell
- Das humanistische, verbindende Modell
In der medizinischen, technokratischen Geburtshilfe wird der weibliche Körper als nicht kontrollierbar, weil unter dem Einfluss der Natur stehend, betrachtet. Dies erfordert nach deren Überzeugung eine Überwachung und Kontrolle – sozusagen die „Verbesserung“ der Geburt (gegenüber der „wilden“ Natur). Die Verantwortung über die Gebärende und ihr Kind wird auf den*die Mediziner*in übertragen. Die Frau selbst darf über ihren Körper kaum noch mitentscheiden und wird zur Befehlsempfängerin.
Im kompletten Kontrast dazu ist das humanistische Modell zu verstehen. Hier wird das Verbindende zwischen Körper, Geist und Psyche, aber auch den familiären Lebensumständen, der Vergangenheit und der Kultur als wichtig erachtet. Es ist eine individuelle Geburtshilfe, welche im Normalfall der Hebammenarbeit entspricht. Dieses Modell sieht zudem auch die Eigenverantwortung der Entbindenden als sehr wesentlich an.
An dieser Stelle kommt nun der Geburtsplan ins Spiel…
… er soll die wichtigsten Vorstellungen und Wünsche klar darstellen und als Hilfe für Hebammen und Ärzt*innen dienen, die Frau schneller und leichter einschätzen zu können. Zahlreiche Studien belegen, dass das Gefühl der Selbstbestimmung und Mitbestimmung mit einer umfassenden Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis einhergeht. Eine Schwierigkeit dabei ist jedoch, dass die Frau für einen ernstzunehmenden Geburtsplan vorab entsprechende Information und eine sehr gute Geburtsvorbereitung benötigt. Ansonsten führen Aussagen, wie diejenigen oben dargestellt, oftmals zu Unstimmigkeiten, gegenseitigem Unverständnis bis hin zu Konflikten im Kreißsaal.
Hierzulande begegnet man dem Geburtsplan von Seiten des Krankenhauspersonals immer noch mit Skepsis. Er wird oft als Einmischung und Infragestellung der medizinischen und professionellen Kompetenzen empfunden.
"Das gemeinsame Ziel muss es also sein, eine individuelle, möglichst natürliche Geburtshilfe zu erreichen, die jedoch unter sicheren, medizinischen Rahmenbedingungen stattfindet."
Grundsätzlich kann ich aus der Praxis berichten, dass sowohl Ärzt*innen als auch Hebammen durchaus offen und lernfähig sind. Es kommt nur darauf an, wie man den Menschen begegnet. Grundsätzlich funktioniert es sehr gut, die Frau in ihrer Selbstbestimmung und Eigenverantwortung mit ins Boot zu holen. Das geht natürlich durch entsprechende Gesprächsführung auch noch während der Geburt. Gebärende und ihre Partner*innen können davon ausgehen, dass das medizinische Personal im Krankenhaus ihnen grundsätzlich wohlgesonnen ist. Alle Beteiligten wollen dasselbe – gesunde Frauen und Kinder.
Natürlich kann man die meisten Maßnahmen aus zwei Perspektiven betrachten, so gibt es auch in der Medizin selten ein absolutes schwarz-weiß Denken. Wichtig ist nur, neben den eigenen Vorstellungen auch Vertrauen in das Fachwissen und die Erfahrung von Hebamme und Ärzt*innen zu haben.
Umso wichtiger erscheint vor dem Erstellen eines Geburtsplans eine gute Geburtsvorbereitung oder Hebammensprechstunde, um sinnvolle, individuelle und wichtige Punkte zu sammeln. Wenig Sinn, aus meiner Sicht, haben die klassischen und generischen Geburtspläne, welche dann häufig Punkte beinhalten, die aus medizinischer Sicht heutzutage ohnehin Standard sind.
Ich ermutige die Frauen für gewöhnlich, zuerst für sich selbst einen Geburtsplan zu schreiben oder einfach mal darüber nachzudenken, was sie selbst zu einem idealen Gelingen der Geburt vorbereiten können.
Beispiele hierfür wären
- Üben der Atmung
- Gesunde und möglichst zuckerfreie Ernährung und ausreichend trinken
- Verdauung in Gang bringen
- Tägliche Bewegung in freier Natur und dabei lernen, Selbstvertrauen und Vertrauen in den eigenen Körper aufzubauen
- Wissen über die Geburt aneignen und damit Angst davor abbauen
- Hebammengespräche über den individuellen Geburtsmodus und weitere Möglichkeiten
Ich bin zuversichtlich, dass der Weg zu einer immer besseren, individuellen und die Natur respektierenden Geburtshilfe ein gemeinsamer ist! Sowohl die Gebärenden und ihre Partner*innen, als auch Hebammen und Mediziner*innen haben das Ziel, die Geburt zu einem besonderen und schönen Erlebnis werden zu lassen.
Hierfür gilt es, einen respektvollen Umgang mit dem Körper der Frau, deren Psyche und dem Empfinden des Ungeborenen, sowie den Begleitpersonen zu pflegen. Dieser gleiche Respekt sollte aber auch den betreuenden Personen entgegengebracht werden. Sie sind jeden Tag mit all ihrem Wissen und Erfahrungen für Schwangere und junge Familien im Einsatz und tun das aus vollster Überzeugung. Mögliche Formen des Geburtsplans können unter anderem der Punkteplan oder ein Brief sein.
Mögliche Formen des Geburtsplans:
1.Der Punkteplan:
hierbei können die untenstehenden Überlegungen zur Schwangerschaft, Geburt und zum Wochenbett bedacht werden.
Schwangerschaft:
– Welche Hebamme(n) möchte oder brauche ich zur Betreuung?
– Fühle ich mich im Falle meiner Schwangerschaft bei meinem*r Gynäkolog*in gut aufgehoben?
– Wo bekomme ich meine Infos her? Wen befrage ich zu welchem Thema?
– Woher bekomme ich eine gute Geburtsvorbereitung?
– Wo möchte ich mein Baby bekommen?
– Welche Geburtspositionen gibt es überhaupt?
– Welche Schmerzmittel stehen zur Verfügung und wo bei welchen medizinischen Themen kann ich sinnvollerweise mitreden?
– Was kann ich für einen günstigen Geburtsverlauf beitragen (z. B. Vorbereitung, Atmung etc.)?
– Wer soll mich zur Geburt begleiten und in welcher Form?
– Bin ich eher der natürliche Typ oder vertraue ich eher mehr auf die klassische Medizin?
Zum Wochenbett:
– Möchte ich meinem Baby Vitamin K verabreichen lassen?
– Infos sammeln zu Themen wie Gebrauch von Schnuller, Zufütterung, andere Maßnahmen etc.
– Welche Hebamme übernimmt meine Nachbetreuung außerhalb des Krankenhauses?
– Welche Betreuungspunkte sind mir besonders wichtig?
Diese Herangehensweise an einen Geburtsplan kann eine Art Gedächtnisstütze sein. Vor allem sehr wichtige, unter Umständen medizinische oder kulturelle Besonderheiten werden hier noch einmal aufgeführt und im Idealfall auch mit Hebammen und Ärzt*innen im Kreißzimmer besprochen. Die Briefform hilft dabei, alles gesammelt und übersichtlich für alle Beteiligten zur Verfügung zu stellen und möglichst Probleme zu vermeiden.
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