Mein Weg zur Hausgeburt
Ich wusste fast bis zum Start meiner Wehen nicht sicher, ob ich mein Kind WIRKLICH zu Hause zur Welt bringen würde.
Es gibt Menschen, Frauen, die wissen ganz genau, was sie wollen, ohne groß darüber nachzudenken. Vor allem was ihre Geburt angeht. Für sie ist klar, ich bekomme mein Kind zu Hause. Aus den verschiedensten Gründen.
Ich bin ein Mensch, bei dem sich Hirn und Bauch manchmal im Weg stehen. Ich spüre sehr viel in mich hinein, überprüfe meine Werte oft aufs Neue, bin meine größte Kritikerin und kann es oft nicht lassen, bereits getroffenen Entscheidungen zu hinterfragen.
So auch bei meiner Entscheidung zur Hausgeburt.
Tief in mir war eine Stimme ganz laut, die den unüberhörbaren Wunsch äußerte, mein Kind zu Hause zu gebären. Es war eigentlich viel mehr als eine Stimme, es war ein Teil von mir. Es fühlte sich an wie eine Art Ur-Frau in mir, ein tiefes Wissen vergraben unter all den Informationen, Ratschlägen und der Institutionalisierung der modernen Zeit. Überdeckt von ‚Wenn‘ und ‚Aber‘ und von gesellschaftlichen und persönlichen Ängsten.
Diese Stimme wollte also gehört werden und ich habe es mir erlaubt. Erlaubt nicht nur hinzuhören, sondern auch hinzuspüren und nachzufragen. Ich habe diesen Impuls genutzt, um mich mit meinem Seelenleben zu beschäftigen, mit meinen Unsicherheiten und meinen Glaubenssätzen. Eine seelische Inventur sozusagen, ein Frühjahrsputz meiner Gedanken.
Aber lass mich mal von vorne beginnen.
Heimlicher Wunsch einer Hausgeburt bereits bei meiner ersten Tochter
Mit dem positiven Schwangerschaftstest war also ein gedanklicher Stein ins Rollen gebracht. Eigentlich schon früher, wenn ich ganz ehrlich bin, denn den heimlichen Wunsch einer Hausgeburt hegte ich schon in der Schwangerschaft mit meiner ersten Tochter. Damals war es nur eine etwas verrückte Wunschvorstellung. Etwas nicht Greifbares, total Magisches, das ANDERE tun aber nicht ich. Kennst du das? Dass du dir denkst, was er oder sie macht, findest du toll, aber das wäre nichts für dich. Denn du könntest das niemals. Mit solchen Glaubenssätzen halten wir uns alle schön klein. Im Rahmen. Unauffällig und in vorgegaukelter Sicherheit.
Für mich wurde es Zeit, meine ‚Believes‘ zu hinterfragen, denn ich spürte ganz tief in mir, die Entscheidung zur Hausgeburt habe ich bereits getroffen. Ich wusste nur noch nicht ganz WIE.
Wie soll ich das hinbekommen? Wie kann ich es schaffen, meinen Kopf mitzunehmen oder abzuschalten? Wie kann ich mich zu Hause sicher fühlen und was sind meine Strategien, wenn die Schmerzen zu heftig werden oder etwas schief geht? Was wenn mich Panik überkommt, mir alles zu viel wird? Was ist mein Emergency Plan? Brauch ich so etwas? Oder sind all die durchgespielten ‚Worst Case Szenarios‘ gar nicht wirklich realistisch?
Ich höre dich schon denken: Und was ist mit dem/der Partner:in? Was ist, wenn der/die nicht will?
Ja, natürlich muss dein:e Partner:in auch mit on Board sein. Ich habe hier aber eine sehr klare Meinung dazu, die vermutlich dem einen oder der anderen etwas sauer aufstößt: Es ist DEINE Geburt. Wenn DU dir wirklich sicher bist, was du möchtest, dann darfst du dem nachgehen. In meinem Artikel hier soll es vor allem um das gehen.
Ich war jedenfalls in der privilegierten Situation einen unterstützenden Partner zu haben. Auch seine Glaubenssätze und gefütterten Informationen zogen ihn in Richtung Klinikgeburt, aber er spürte meine tiefe innere Überzeugung und vertraute darauf. Ich glaube, das ist auch mitunter ein Schlüssel dem/ der Partner:in Sicherheit zu geben und Zustimmung zu erfahren, aber darum soll es heute wie gesagt nicht gehen.
„Die Sicherheit, die mein Kopf so sehr brauchte, wird nicht von ihr kommen. Von keinem. Nicht von außen.“
Unterstützen können mich andere – daran glauben muss ich selbst
Ich ging meiner inneren Stimme also nach und habe mich trotz all der Fragen im Kopf um die Organisation einer Hebamme bemüht, die mich und uns begleiten würde.
Eine Hebamme gefunden war das Erstgespräch doch etwas ernüchternd. Das letzte Stückchen Sicherheit, dass ich mir erhofft hatte, von ihr zu bekommen, kam nicht. Im Gegenteil. Sie begegnete mir mit sehr herausfordernden Fragen und schnell war klar, die Sicherheit, die mein Kopf so sehr brauchte, wird nicht von ihr kommen. Von keinem. Nicht von Außen.
Der Hebamme hatte ich dennoch eine Zusage gegeben. Ich wusste ich WILL das und habe darauf vertraut, dass mein Inneres mich leiten wird. Hin zu meiner Hausgeburt.
Ich bin nicht zuletzt aufgrund meines eigenen Berufes in der privilegierten Situation einige Freundinnen und Kontakte zu haben, die im Bereich Geburtsbegleitung arbeiten. Im ständigen Austausch mit vielen anderen Frauen war es schlussendlich meine Freundin, Doula und Hebamme i. A. Andrea, die mich immer wieder mit Fachwissen und unglaublicher Herzenswärme mit meinen Unsicherheiten abholte und mich bestärkte. Und obwohl ich jeder eine solche Freundin wünsche und es unglaublich hilfreich ist, ein unterstützendes Umfeld zu haben, war auch hier klar, unterstützen kann sie mich aber daran glauben muss ich selbst.
Ich beschloss damit aufzuhören, darüber nachzudenken
Ich hatte also meine Hebamme und etliches wissenschaftlich fundiertes Wissen über die Sicherheit einer Hausgeburt und dennoch verspürte ich immer wieder das Gefühl, noch nicht alles zu wissen. Noch nicht gut genug gerüstet zu sein und habe etwas getan, was total gegen meine Denker-Natur spricht: Ich habe es sein lassen. Ich habe beschlossen, mich dem Prozess hinzugeben. Meine Gedanken kommen und gehen zu lassen, schließlich ist es doch das, was ich in meinen Yoga-Stunden immer wieder unterrichte. Ich habe aufgehört zu organisieren und recherchieren und mir hunderte positive Hausgeburtsberichte auf Youtube an zu schauen und bin ins Vertrauen gegangen. Vertrauen ins Leben, in die Weiblichkeit und vor allem in mich.
Ich habe mir erlaubt, mich in meiner Unsicherheit sicher zu fühlen. Alles zu fühlen. Die bestärkenden und die weniger unterstützenden Gedanken und Gefühle, ohne sie zu bewerten. Die Schwangerschaft ist so eine unglaublich magische Zeit und Möglichkeit, sich in seiner weiblichen Intuition zu üben. Dem Weiblichen in uns, dem Yin, Platz zu machen. Aus dem Tun ins Sein zu kommen. Anzunehmen, hinzuspüren, langsam zu werden und zu vertrauen. Gar nicht so leicht in einer so Yang dominanten Gesellschaft, in der das Tun bejubelt wird und alles rational begründet werden soll.
Ich bekomme dieses Kind aus eigener Kraft
So kam ich ins Fließen. Und mit jeder Woche mehr wuchs nicht nur mein Bauch, sondern auch mein Urvertrauen. Und plötzlich ging es ganz schnell und die letzten Wochen und Tage waren gekommen. Endspurt.
Ein letztes Aufflackern meiner Unsicherheiten machte sich durch übertriebene Organisationslust und Putzwahn bemerkbar. ‚Nestbautrieb‘ nennt die Biologie das, wobei ich deutlich spürte, dass es doch etwas mehr war.
Als die Hygienefolie für meinen angedachten Geburtspool aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht ankam und unsere Dusche last minute dabei war, ihren Geist aufzugeben, war ich kurz vorm Durchdrehen. Dazu kamen unvorhersehbare menschliche Differenzen mit meiner Hebamme und andere größere und kleinere Faktoren, die perfektes Futter für’s Handtuch werfen gewesen wären. Und genau das habe ich gebraucht.
Ein völliges Wegbrechen aller äußerlichen Sicherheitsfaktoren und Rettungsringe, an denen mein Kopf versuchte, sich festzuklammern. Genau das habe ich gebraucht, um mich auf MICH zu besinnen. Voll und ganz.
In diesem Moment wusste ich, ICH bekomme dieses Kind aus EIGENER Kraft. Unabhängig von Ort und Umständen. Plötzlich war es fast egal, wo und wie ich dieses Kind auf die andere Seite meines Bauches bringen würde. Kein Geburtspool, keine fancy Hypnobirthing Strategien, keine Hebamme dieser Welt kann mir das geben, was ich wusste, tief in mir zu haben: mentale und körperliche Kraft. Die Ur-Frau in mir war da.
Und in diesem Moment ging es los. Die Wehen setzten ein.
Wie genau meine Hausgeburt verlief, mit kraftvollen und magischen Momenten und was meine Learnings daraus waren, erzähle ich dir gern in meinem nächsten Artikel.
Was ich hoffe, dass du aus diesem mitnehme konntest, ist, dass egal um was es in deinem Leben geht, DU die treibende Kraft dahinter bist. ALLES ist möglich. Und Sicherheit ist eine Illusion, der wir in unserer Gesellschaft gerne nachlaufen. Von deren Vorstellung wir uns oft versklaven lassen. Angst hält uns davor zurück, unser wahres Ich zu leben und unseren Träumen nachzugehen. Wir dürfen uns öfters erlauben uns dem Ungewissen hinzugeben und so aus dem Vollen des Lebens zu schöpfen. Es hält so unglaublich viel für uns bereit!
An dieser Stelle möchte ich mich noch bedanken. Bei einer tollen Frau. Meiner großen Stütze und letztendlich auch Geburtsbegleiterin Andrea Surek. Bei meiner Hebamme, die mich auf ungewöhnliche Art und Weise zu mir selbst zurückfinden ließ und uns bei der Geburt begleitet hat. Und bei meinem Freund, der von Anfang an auf mich vertraut und an mich geglaubt hat.
You can do it. Egal was.
Deine Jasmin
Jasmin Spanitz
Jasmins Geburtsbericht: Meine Hausgeburt
Insgeheim wusste Jasmin bereits am Tag vor der Geburt ihrer zweiten Tochter, dass es jetzt bald losgehen würde. Zwei Dinge mussten allerdings noch erledigt werden bevor sie richtig losslassen konnte. Vielen Dank liebe Jasmin für Deinen Gänsehaut-Bericht zu Eurer Hausgeburt.
Durch dich lerne ich, für dich wachse ich.
Ein Jahr ist es nun her, dass Jasmin diese Kolumne begonnen hat. Ein Jahr Mama-Sein. Ein Jahr Wachstum in ungeahntem Ausmaß.
Fast ein wenig nostalgisch verfasst sie den letzten Artikel und blickt ehrfürchtig auf die vergangenen 12 Monate zurück.
Die Löwenmama
Mit Hormonen und ganz viel Ur-Instinkten macht uns die Natur wie von Zauberhand zur Löwenmama. Jasmin erzählt über ihren Weg, wie unbändige Stärke, Kraft und Sicherheit ganz von alleine kamen und warum sie auch mal sanft brüllen kann.
UND: kraftvolle Löwinnen stecken nicht nur in Mamas sondern in jeder einzelnen Frau.
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