Jasmins Geburtsbericht: Meine Hausgeburt
Es war ein lauer sonniger Freitag im November. Ich saß im Auto am Weg von meiner geburtsvorbereitenden Akupunktur zum Friseur als das Ziehen in meinem Unterleib deutlich spürbar war. Ah, jetzt tut sich was! Übungswehen redete ich mir ein. Ich hatte mir fest vorgenommen, diesmal alles bis zur letzten Minute zu verleugnen, um nicht wieder gleich von Anfang an so aufgeregt zu sein. Insgeheim wusste ich es, das war der Anfang.
Beim Friseur angekommen ging ich noch schnell zur Toilette, der Kaffee von heute früh musste raus. Und da passiert es: Der Schleimpfropf ging ab! Total entspannt und gleichzeitig vorfreudig aufgeregt, setzte ich mich in den Friseursessel. Ich hatte beschlossen zu bleiben. Schließlich wollte ich es bis zur letzten Minute verleugnen! Außerdem wusste ich, dass der Abgang des Schleimpfropfens theoretisch noch nichts zu bedeuten hatte und es noch Tage dauern könnte bis die Geburt losging. Theoretisch. Insgeheim wusste ich es.
Ich habe meinem Friseur nichts gesagt, es war mein kleines, wundervolles und aufregendes Geheimnis. Ich ließ meine Haare so kurz schneiden wie noch nie. Knapp unter die Ohren, Victoria Beckham der 90er. Ich fühlte mich irgendwie abenteuerlustig und dachte mir, es wird jetzt wohl nun einige Zeit dauern bis ich wieder Zeit fürs Haareschneiden habe.
Das Ziehen in meinem Unterleib wurde nicht deutlich mehr, aber auch nicht weniger. Als ich am Weg nach Hause 20 Minuten im Stau stand, wurde ich irgendwie unrund. Unsere Dusche ist kaputt. Die Hygienefolie für den Geburtspool noch nicht angekommen. 1000 Dinge schossen mir durch den Kopf. Ein Anruf an meinen Schwiegervater mit der dringlichen Bitte, die Dusche MORGEN FRÜH zu reparieren und die Tatsache, dass das Ziehen im Unterleib zu Hause etwas milder wurde, beruhigte mich ein wenig.
Ich wusste, mein Baby und mein Körper spürten, dass es noch zwei wichtige Dinge gab, die erledigt gehörten um gänzlich loslassen zu können: die Dusche und ein Gespräch mit der Hebamme.
„Es waren Dinge, die ich schwer in Worte fassen konnte, aber ich wusste, ich brauchte noch ein klärendes Gespräch, bevor ich mit ihr in diese Geburt gehen konnte.“
Ein letztes klärendes Gespräch.
Als ich Samstagfrüh wach wurde, war ich erleichtert. Die Nacht war ruhig. Aber es fühlte sich an wie die Ruhe vor dem Sturm. Mein Schwiegervater kam und ich spürte förmlich, wie das Ziehen in meinem Bauch stärker wurde als die Duscharmatur montiert war. Meine Hebamme kam um 16:00 Uhr zu einem, schon lange ausgemachten, letzten Gespräch. Wie in meinem letzten Artikel (‚Mein Weg zur Hausgeburt‘) schon erwähnt, gab es einige Diskrepanzen. Ich merkte, dass ich mich in ihrer Gegenwart nicht stark und selbstbewusst, sondern unsicher fühlte.
Es waren Dinge, die ich schwer in Worte fassen konnte, aber ich wusste, ich brauchte noch ein klärendes Gespräch, bevor ich mit ihr in diese Geburt gehen konnte.
Als wir zu dritt, mein Freund, die Hebamme und ich am Tisch saßen, wurde das Ziehen immer deutlicher und rhythmischer. Ich musste oft Gesprächspausen einlegen, um zu veratmen. Nach einem klärenden Gespräch fuhr meine Hebamme nach Hause mit den Worten ‚ihr ruft mich an, wenn es so weit ist‘.
Der Tag war lang. Um 20:30 Uhr schlief meine Tochter endlich in unserem Familienbett und auch mein Freund und ich hatten uns schon hingelegt. Er war kurz vorm Eindösen, doch ich konnte nicht mehr schlafen. Jetzt ging es richtig los.
Sicher und geborgen im Familienbett.
Das Ziehen in meinem Unterleib wurde sehr schnell sehr intensiv. Wie regelmäßige Wellen rollte der Schmerz an und verging wieder. Es waren eindeutig Wehen.
Ich wollte das Schlafzimmer nicht verlassen. Ich fühlte mich dort sicher und geborgen und meine Angst, dass meine Tochter aufwachen würde, war in dem Moment verschwunden. Meine Gynäkologin hatte recht. Das war der Zauber der Geburt. In dem Moment war alles vergessen und ich wusste: nichts kann mich mehr stören.
Weil ich es ja bis zum Schluss verleugnen wollte, beschloss ich dann doch ‚den Test’ zu machen und mich unter die Dusche zu stellen. Würden die Schmerzen vergehen, wusste ich, es waren nur Übungswehen.
Dankbar über die neue Armatur stand ich unter dem warmen Wasser, das mir über den Rücken prasselte. Die Schmerzen waren eindeutig aushaltbarer, aber sie wurden nicht weniger, im Gegenteil. Es ist so weit. Das ist Geburt.
Ich setzte mich in meinem Bademantel am Schlafzimmerboden. Nur ein Teelicht bot mir Orientierung. Als ich eine meditative Atemübung begann, nahmen die Wehen in rasantem Tempo an Intensität zu. Kreisende Bewegungen im Sitzen begleitete ich mit kraftvollem Tönen. ‚Ich öffne mich‘ war mein innerliches Mantra. Mein Tönen war nun so kraftvoll, dass mein Freund munter wurde und auch gleich die Hebamme verständigte. Ich erinnre mich an einen kurzen Moment, an dem ich dachte, mich übergeben zu müssen. Da wusste ich, es dauert nicht mehr lange.
Acht Zentimeter – mir kamen die Tränen.
Wir beschlossen nun doch ins Wohnzimmer runterzugehen, um unsere Tochter nicht zu wecken. Wir hatten auch spontan beschlossen, meine Schwiegermutter zu verständigen, welche kurz vor der Hebamme eintraf und sich zu unserer Tochter ins Schlafzimmer legte, sodass ich entspannt sein konnte und sie versorgt wusste. Meine Hebamme und meine Freundin und Doula Andrea trafen in kurzen Abständen nacheinander ein und hielten sich im Hintergrund.
Ich tat, was ich nicht gedacht hatte zu tun, aber in dem Moment brauchte.
Ich bat meine Hebamme darum, meinen Muttermund zu untersuchen. Sie sollte fühlen ‚ob‘ und wie weit er geöffnet war. Ein Teil in mir konnte es immer noch nicht ganz glauben, dass das WIRKLICH schon die Geburt ist und keine elendslangen und intensiven Vorwehen wie bei der Geburt meiner ersten Tochter.
Acht Zentimeter. Mir kamen die Tränen. Ich konnte es nicht fassen.
Tatsächlich also: in wenigen Momente halte ich mein Baby in den Händen.
Eine unerwartete und kräftezehrende Verzögerung brachte eine sogenannte ‚Muttermundslippe.
Ein letzter kleiner Teil des Muttermundes wollte sich nicht ganz zurückziehen. Nach ein paar Positionswechsel und Unterstützung der Hebamme spürte ich, wie der Muttermund nun zur Gänze zurückgezogen war und der Kopf ganz tief saß. Ein unglaublicher Druck nach unten. Ich spürte sie so deutlich. Ich fühlte mich ganz sicher und ruhig und spürte auch, dass sie sicher und ruhig war. Und doch war ich froh, es gleich geschafft zu haben. Meine Beine waren müde.
Ich hockte, gestützt unter den Armen von meinem Freund und Andrea. Der Kopf war da und dann der Rest. Für eine Sekunde war ich fassungslos.
Ich habe es tatsächlich getan. Sie war da, um kurz nach Mitternacht.
Ich hatte mein Baby zu Hause geboren.
Wir hatten es wirklich geschafft.
Ich nahm sie entgegen und legte sie mir auf Bauch und Brust und spürte ihren warmen, feuchten Körper auf mir atmen. Meine Hebamme, Andrea und mein Freund richteten mir Polster und Decken, dass ich am Boden bequem liegen konnte. Wir langen eine ganze Weile da, mein Baby und ich. Im Hintergrund loderte das Feuer in unserem Ofen, die einzige Lichtquelle im Raum.
Verletzungen hatte ich keine.
Nachdem also die Plazenta geboren und die Nabelschnur gänzlich auspulsiert war, hat sie mein Freund durchtrennt. Nun hat er sie gehalten, während ich gestützt und auf die Couch umverlegt wurde, doch etwas bequemer als am Boden.
In der Küche kochte ein Reis Congee, ein stärkendes und wärmendes Gericht, welches meine erste Mahlzeit sein sollte und Hebamme und Doula plauderten und kümmerten sich um Plazenta und Wegräumarbeiten.
Zu dritt schliefen wir auf der Couch – das Feuer loderte im Hintergrund.
Als meine Hebamme und Andrea sich nach etwa zwei Stunden auf den Heimweg machten, schliefen wir zu dritt auf der Couch im Wohnzimmer ein, während uns das Feuer immer noch wohlig warm hielt.
Um kurz nach 6:00 Uhr Früh erwachten wir und wenig später hörten wir auch unsere 2-Jährige und meine Schwiegermutter im Schlafzimmer oben erwachen. Die Treppe knarrte bei den vorsichtigen Tritten der Zwei am Weg hinunter zu uns. Ich werde den Blick der Großen nie vergessen, als sie um die Ecke kam und ein paar wenige Stunden nach der Geburt ihre kleine Schwester das erste Mal sah. Mit Funkeln in den Augen wie an Weihnachten.
Jetzt waren wir zu viert.
Jasmin Spanitz
„Zu Hause ankommen“ – Tipps für die erste gemeinsame Zeit mit deinem Baby
Daniela Aufreiter – Kinderkrankenschwester und Stillberaterin teilt mit euch wertvolle Tipps und Ratschläge für die erste Zeit zu Hause mit deinem Baby. Von der Vorbereitung bis zu bewährten Methoden für das Wochenbett und den Umgang mit Schreiphasen – lass dich von uns für diese aufregende Phase inspirieren!“
Der erste Sommer mit Deinem Baby: Tipps & Basics um ihn entspannt zu genießen
Bald ist er da – der erste Sommer mit Deinem Baby. Auch wenn so manches anders verläuft als gewohnt – mit etwas Vorbereitung und Know-How lädt die warme Jahreszeit zum Genießen ein. Mit unseren Tipps und Basics zum Thema Sonnenschutz, Hitze, Bekleidung & Co. seid ihr bestmöglich vorbereitet.
Kontrastkarten – Babys erstes Spielzeug
So verläuft die visuelle Entwicklung Deines Babys in den ersten Lebensmonaten. Entdecke praktische Tipps wie Du den Sehsinn Deines Babys im Alltag spielerisch fördern kannst.
0 Kommentare