Roses Revolution Day
Schnell eile ich ins Krankenhaus. Heute bin ich schon etwas spät dran. Mein Dienstbeginn ist ja bald! Im Vorbeigehen fallen mir einige Rosen – um genau zu sein rosa Rosen – vor der Kreißzimmertüre auf. Es sind nicht viele.
Ich erinnere mich sofort an den alljährlichen ROSES REVOLUTION DAY, der heute ist. Hier machen Frauen, denen Gewalt im Kreißzimmer widerfahren ist, auf ihr Schicksal aufmerksam.
Ich beginne darüber nachzudenken. Ich erinnere mich an die zahlreichen Gespräche, die ich in meiner Ordination über Geburten mit Frauen führte, die so etwas erlebt haben. Da ich Frauen zur Geburt ins Krankenhaus begleite, konnte ich schon einige traumatisierenden Erlebnisse mitverfolgen. Traumatisierend aus der Sicht der Frauen. Nicht alle Situationen waren auf den ersten Blick für uns als solche zu erkennen. Die Empfindungen von Frauen in einer Ausnahmesituation nachzuspüren, erfordert im Kreißzimmer schon einiges an Fingerspitzengefühl.
Seelische und körperliche Verletzungen hinterlassen Narben
Es gibt aber auch einige unfassbare Geschichten von Frauen! Seit vielen Jahren bin ich mittlerweile sehr sensibilisiert auf Dinge, die Frauen als traumatisierend erleben können. Seelische und körperliche Verletzungen durch Dammschnitte, die im falschen Moment durchgeführt wurden und dadurch große Schmerzen bedeuteten. Oder auch Schnitte, die einfach aus der Sicht der Frauen nicht notwendig und daher nicht gewollt waren. Diese Gebärenden empfinden allein die Tatsache, dass sie aktiv durch Menschenhand verletzt wurden, als schlimmes Erlebnis.
Auch Kaiserschnitte, die in den Augen der Patientinnen entweder zu früh oder unnötig durchgeführt wurden, zählen zu diesen traumatisierenden Erfahrungen. Oder auch verbale Gewalt. Worte, die sehr unsensibel oder fehl am Platz waren und deshalb tiefe Narben hinterlassen.
„Manchmal kann Zuhören alleine schon sehr heilend sein. Emotionen müssen beweint werden können.“
Tagtäglich mache ich die Erfahrung, dass die Kommunikation der betreuenden Personen ein, wenn nicht sogar DER wesentliche Punkt ist, um das Geburtserlebnis möglichst positiv zu gestalten.
Leider sind Situationen und Tätigkeiten, die von vielen Frauen als Gewalt in der Geburtshilfe empfunden werden, während einer Geburt nicht immer zu vermeiden. Manchmal erfordert es die Situation, dass wir sofort handeln müssen. Es kommt vor, dass wir am Bauch in der Wehe mitschieben oder doch einen Dammschnitt durchführen, um das Kind gesund und gut auf die Welt zu bekommen. Jedoch ist es auch hier möglich, die Frau mit ins Boot zu holen und gemeinsam die Geburt zwar intensiv, aber würdevoll zu durchleben.
Nach belastenden Situationen immer das Gespräch suchen
Nach einer für die Frauen traumatischen Geburt empfehle ich immer, im Nachhinein das Gespräch mit der eigenen Hebamme zu suchen. Oft kann sie zur Aufklärung und besseren Aufarbeitung bestimmter Geburtsmomente beitragen. Manchmal ist aber auch nur das Zuhören alleine schon sehr heilend und wertvoll. Situationen und die dazugehörigen Emotionen müssen besprochen und beweint werden können. Hebammen sollen und müssen in solchen Situationen objektiv reflektieren können, ohne das Gesagte persönlich zu nehmen oder in eine Verteidigungsrolle zu schlüpfen.
„Frauen spielen eine der wichtigsten Rollen im Fortbestand der Menschheit. Wir müssen möglichst ohne Trauma aus dem Thema Geburt herausgehen.“
Fehler passieren – auch von Profis. Speziell in der Kommunikation kann und soll sich jeder im Gesundheitsberuf immer selbstkritisch hinterfragen. Wir arbeiten in einem sehr vulnerablen Bereich. Allein Worte, aber auch die Sprachmelodie sind wichtige Tools, um eine Situation oder die Erinnerung an eine Geburt zum Besseren zu wenden.
Allerdings sind wir auch von der Natur und den Gegebenheiten abhängig. In der Hitze des Gefechts, in Notsituationen, in schnell notwendigen Entscheidungen. Nicht immer hat man die Zeit, die richtigen Worte zu finden, der Frau genügend Zeit zu geben, um sich auf die Situation einzustellen, oder muss auch gelegentlich sehr unangenehme Handlungen durchführen. Nicht immer sind die Hebammen, die Ärzt*innen etc. für das Erlebte verantwortlich. Es kann auch sein, dass niemand für die entstandene Situation Verantwortung trägt.
Bessere Arbeitsbedingungen und genügend Zeit zur Betreuung
In diesem Sinne schließe ich meine Überlegungen ab und möchte dafür plädieren, dass wir alle zusammenarbeiten. Für die Frauen, die Familien, die Kinder, die Hebammen und Ärzt*innen, um auch hier nachhaltig zu sein. Unser aller Ziel muss es sein, dass die Frauen möglichst unversehrt aus den Geburten herausgehen. Frauen spielen eine der wichtigsten Rollen im Fortbestand der Menschheit. Wir müssen weiterhin gerne Kinder bekommen und wir müssen möglichst ohne Trauma aus dem Thema Geburt herausgehen. Denn „Kinder sind unsere Zukunft“.
Aber auch dem Krankenhauspersonal muss es möglich sein, durch machbare Arbeitsbedingungen, genügend Zeit zur Betreuung sowie Zeit zum Überlegen, eine ordentliche Geburtshilfe mit viel Freude und Kreativität, aber auch der notwendigen Ernsthaftigkeit und Professionalität durchzuführen. Darüber hinaus kann man sich in Punkto Rekrutierung und Bezahlung entsprechend der Verantwortung von anderen Branchen – wie beispielsweise dem IT Bereich – einiges abschauen!
Lasst uns gemeinsam wieder versuchen, die Geburtserlebnisse der Frauen als wertvolle und heilende Erinnerung zu gestalten.
Hebamme Maria Guldner
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