Vaginale Geburt vs. Kaiserschnitt
Ich komme soeben von einer der unzähligen Sprechstunden mit einer schwangeren Frau, die sich aufgrund der Umstände oder auch aufgrund einer „leichten“ medizinischen Indikationsstellung zwischen Kaiserschnitt oder „normaler Geburt“ entscheiden muss. In ihrem Fall handelt es sich um eine anstehende Zwillingsgeburt nach einer Krankenhausgeburt, sowie einer Hausgeburt.
Mein erstes Herantasten ist in so einer Situation stets die Frage nach ihren persönlichen Bedenken, zu welcher Option sie tendiert und wie ihre generelle Grundhaltung ist. Im Zuge dieses ersten Gespräches kommt man sehr bald auf die Vor- und Nachteile der beiden Möglichkeiten (so ich sie beide habe!) zu sprechen.
Zusammenfassend kann man sowohl für die vaginale Geburt als auch den Kaiserschnitt bestimmte Vor- und Nachteile erfassen. Also sehen wir sie uns an, die hard facts zu den Entbindungsmöglichkeiten:
„Jede Art ein Kind zu entbinden, bietet ein Risiko. Das Leben an sich gibt dir keine 100% Garantie an Sicherheit.“
Verabschiede Dich von einer Garantiesehnsucht
Die Punkte aus den beiden eben angeführten Tabellen sind die sogenannten „hard facts“ zu den beiden Möglichkeiten, ein Kind zu entbinden. Hier ist schon zu erahnen, dass jede Art der Geburt Risiken birgt. Meine Patient*innen weise ich dann immer darauf hin, dass sie ja im alltäglichen Leben auch keine 100 % Garantie auf Sicherheit hätten. Das bringt die Frauen und Paare dann immer zum Nachdenken und infolgedessen wieder auf den Boden der Tatsachen.
Wir müssen uns, um ordentlich und glücklich durchs Leben zu kommen, von einer Garantiesehnsucht verabschieden. Oft merke ich, dass vielen Frauen und Paaren diese Tatsache zum ersten Mal im Zuge einer Schwangerschaft, mit der bevorstehenden Geburt vor Augen, bewusst wird.
„Es geht um die Akzeptanz der eigenen Geburt, meiner Entscheidung und schließlich auch um das Annehmen der Situation, so wie sie eben stattgefunden hat.“
Geburtserlebnis als wesentliche Säule einer psychischen Stabilität
Worauf ich in der Sprechstunde ebenso hinweise, ist die Notwendigkeit zu überprüfen, von wem die Informationen meiner Patient*innen bezüglich des Kaiserschnitts oder der „normalen“ Geburt stammen. Meist kommen wir im Zuge des Gesprächs drauf, dass diese Geschichten von Laien stammen, die eine Geburtssituation eher realitätsfremd und sehr subjektiv darstellen. Können wir dann innerhalb unserer Besprechung die Bedenken aufklären, entscheiden sich viele Frauen doch eher für eine vaginale Geburt.
Es gibt übrigens Untersuchungen, bei denen Frauen befragt wurden, die bereits beide Arten der Geburt erlebt haben, für welche Möglichkeit sie sich beim darauffolgenden Kind entschieden haben: Der Großteil der Frauen hat sich infolgedessen für eine vaginale Geburt entschieden. Diese Situation kenne ich auch aus meinem Berufsleben. Viele Frauen kommen nach einem erlebten Kaiserschnitt mit dem Wunsch zu mir, möglichst normal entbinden zu wollen.
Das kommt nicht überraschend, denn eine Frau kann – auch wenn sie bereits etwas dement ist und sich an vieles nicht mehr so gut erinnert – ihre Geburtsgeschichte stets wiedergeben, und zwar im Detail! Für uns Frauen ist das Geburtserlebnis eine wesentliche Säule unserer psychischen Stabilität. Damit ist selbstverständlich nicht gemeint, dass diese psychische Stabilität nur bei Frauen nach vaginalen Geburten auftritt und jede Frau nach einem Kaiserschnitt psychische Probleme hat! Es geht um die Akzeptanz der eigenen Geburt, meiner Entscheidung und schließlich auch um das Annehmen der Situation, so wie sie eben stattgefunden hat.
Wie mit Angst vor der Geburt umgehen?
Was sage ich nun jenen Schwangeren, die mit der Angst vor der Geburt – vor allem vor dem Geburtsschmerz – kämpfen? Zuerst analysieren wir, wovor sie genau Angst haben. Ist es der Schmerz, ist es die Unberechenbarkeit, ist es die Angst, dass etwas Schlimmes passiert oder die Angst, dass jemand mit mir etwas macht, das ich nicht will?
Anschließend versuchen wir gemeinsam ein Konzept für die Geburtswehen selbst, aber auch für das gesamte Geburtserlebnis an sich zu erarbeiten. Das funktioniert sehr gut mit einer bewussten, einfachen, tiefen Atmung, der Konzentration auf andere, positive Assoziationen und viel Information, um Ängste abzubauen. Wenn die Frauen dann das Üben der Atmung ernst nehmen, sich das gut antrainiert haben und sich darauf verlassen können, dann haben sie an Selbstvertrauen gewonnen.
Unterhalte Dich mit Fachpersonen über Deine Möglichkeiten
Dieses Selbstvertrauen ist einer der zentralen Punkte bei der Geburt. Bei dieser Art Selbstvertrauen steht nicht im Fokus, nach außen hin selbstbewusst zu erscheinen und die eigene Stärke zu präsentieren, sondern echtes Vertrauen zu sich selbst und in die eigenen Fähigkeiten zu haben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass in weiterer Folge die Begleitperson (meist der*die Partner*in) an die Gebärende glaubt!
Zusammenfassend kann ich Schwangeren nur den Tipp geben, sich sowohl mit Gynäkolog*innen als auch mit einer Hebamme über den Geburtsmodus zu unterhalten. Fachpersonen versuchen objektiv aufzuklären und können die jeweilige Situation und die damit verbundenen Möglichkeiten besser einschätzen.
Holt das BESTE aus eurer Geburtsgeschichte heraus. Für euch und euer Kind!
Hebamme Maria Guldner
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